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Gemeinschaft Leben Liebe Menschen Queer

22 – Christopher Wurmdobler über wie man richtig ausrastet.

Was zuallererst ins Auge fällt, wenn man Christopher Wurmdobler gegenüber sitzt, ist sein guter Stil. Wie sich der Autor und Journalist kleidet, vom angesagten Sneakermodell bis zum neckisch-indiviuellen Accessoire der Schiebermütze (Hüte trägt er von Mühlbauer und Leuchtfeuer), wie er spricht und welche Themen er gerne rasch anschneidet und welche erst später, das alles zeugt von gewählter Ausdrucksform und -weise.

Warum auch nicht? Meinen Gast und mich verbindet unter anderem auch das Geburtsjahr und man kann drüber behaupten, was man möchte: 1965 ist und bleibt ein ausgezeichneter Jahrgang, den manche gerne gedanken- und hilflos mit „Boomer“ definiert wissen möchten. Erstens irren sie und zweitens liegen sie falsch.

Denn Wurmdobler, der Wiener vom Bodensee, kann auch ganz anders. Sein Debütroman „SOLO“ (Czernin Verlag, 2018) ist eine goscherte, genaue und herrlich komische Beobachtung der hiesigen queeren Szene, die der, so Wurmdobler, „zur Genüge problembehafteten Queerliteratur“ einen humorvollen Kontrapunkt setzen wollte. Diese akustische Buchbesprechung gibt einen kleinen Eindruck von seiner Schreibweise.

© Julia Fuchs | juliafuchs.com

Vom Sach- zum Lachbuch

Christopher Wurmdobler stammt ursprünglich vom Schwäbischen Meer, dem Bodensee und hat sich mit dem Studium der Theaterwissenschaften (sowie der praktischen Ausführung selbiger in Österreich und Deutschland), journalistischer Beschäftigung für die Arbeiterzeitung, Der Standard, den ORF, NEWS, knapp 20 Jahre als Stadtleben-Ressortleiter und freier Autor für den FALTER und auch Sachbuchautor einen guten Namen gemacht. Schreiben, spielen und ausprobieren – das liegt ihm einfach. So ist er auch Mitglied des Kunstkollektivs H.A.P.P.Y und Teil des Performanceteams von Nesterval.

Mit „Ausrasten“ legt Christopher Wurmdobler 2021 eins nach, nämlich ein wiederum vergnügliches Buch über Figuren seiner Wahlheimat Wien, die – so der doppeldeutige Titel – erahnen lassen, dass es „kompliziert, aber lustig“ wird. Denn Ausrasten kann man – oder sollte man, je nach dem, welchem energetischen Status das Wort gerade zugeordnet wird. Weil es im Leben eines Mittfünfzigers, so der fleissige Autor und „Aus Gründen“-Gast dieser Folge meist klüger ist, sich auszurasten, statt wegen Banalitäten auszurasten, darf viel reflektiertes Denken hinter den Worten von Christopher Wurmdobler vorausgesetzt werden.

Und dennoch kann er sich richtig schön über „die Leut’“ ärgern und wie ein junger Spund auf Wienerisch „in Saft geh’n“. Ein vergnügliches Stündchen Podcast über Bücher, Treppenlifte, die Prostata und ob man von sich ein Bild mit 80 Jahren hat.

Mit wie immer feinster Musik des Wiener Labels monkey.music – des Qualitätsanbieter schlechthin für Wiener Pop, Rock & Glam:

Die gespielten Titel der Episode:

Über die Band
Titel: Ich mache mir die Welt
Interpreten: Sinuswelle

Über die Band
Titel: Dopamin
Interpreten: Graf Hadik

Über die Band
Titel: Keine Angst
Interpreten: Hansi Lang

Auszüge aus dem Schaffen des Autors

Ausrasten

Erzählungen

Eine Operettendiva, eine misanthrope Tierärztin, erfolglose Kunstschaffende, glücklos backende Mütter, schwule Tagediebe und allein reisende Neunjährige: Christopher Wurmdoblers Erzählungen versammeln außergewöhnliche Persönlichkeiten aus Wien, deren größte Gemeinsamkeit die Stadt ist, in der sie leben.

Tamara fängt etwas mit Toni an. Toni hasst Weihnachten, mag jedoch mit Arnold zur Mitternachtsmette im Stephansdom gehen, weil »die Männer auf der Bühne lustige Kostüme tragen«. Poldi verbindet Sex mit Immobilienbesichtigung, Susanne hasst Kunst, führt aber trotzdem eine Galerie. Kunsthistorikerin Ute berät Susanne fachlich und lässt sich von Tim modisch beraten. Tim verführt Darko und Darko wiederum den schwäbischen Lukas. Eva erwacht im Bett einer Sängerin und Beatrice sorgt dafür, dass überall der Strom ausgeht.

In kurzen und weniger kurzen, aber immer unterhaltsamen Erzählungen nimmt Christopher Wurmdobler seine Leserinnen und Leser mit in das turbulente Leben seiner Figuren.

Reset

Roman

Nach Christopher Wurmdoblers Erfolgsdebüt »Solo« folgt mit »Reset« ein humorvoller Roman über die größte Veränderung im Leben eines gealterten Fernsehstars, der mit seiner Vergangenheit aufräumt und sich selbst neu erfindet.

Karmen, über 50, knallhart und kinderlos, hat eine eigene Polit-Talkshow, gut bezahlte Werbeverträge und ist eine gefeierte Journalistin. Doch plötzlich passt ihr Fernsehgesicht nicht mehr in die Zeit, der Werbedeal wird gekündigt und sie verpatzt die Moderation einer Gala-Veranstaltung.

In einer Mischung aus Selbstdemontage ihrer öffentlichen Person und dem verzweifelten Versuch, auf sich aufmerksam zu machen, bricht sie in wenigen Tagen eine Menge äußerer und innerer Tabus.

Schließlich lässt Karmen sowohl die Großstadt als auch die glitzernde und oberflächliche Medienwelt hinter sich und begibt sich auf eine Zeitreise zurück zu ihren Wurzeln. Sie soll das Haus ihres verstorbenen Vaters räumen und landet mitten in der Provinz ihrer Kindheit. Doch ihr Heimatdorf hat sich verändert und auch Karmen verändert sich nach und nach und mehr, als sie je gedacht hätte.

Solo

Roman

Sie sind schwul, sehen gut aus und haben interessante Berufe. Sie leben ihr Leben in einer Welt zwischen abgedrehten Partys und bizarren Kunstevents, Konsum, Fitnesstraining und First World Problems. Aber irgendetwas funktioniert nicht mehr so wie früher …

David ist Mitte dreißig und Kinderarzt. Sein Freund ist etwas jünger, Architekt und hat das gemeinsame 200-Quadratmeter-Luxusloft geplant. Davids bester Freund Martin ist gerade fünfzig geworden und Landschaftsplaner. Dessen beste Freundin wiederum ist Bloggerin und selbst ernannte Schwulenmutti.

Außerdem gibt’s da noch Lena und Rita, die bald heiraten, Peter und irgendwie auch den jungen Ben. Doch dann verliebt sich die Schwulenmutti in einen Schwulen, David und sein Freund haben eine gröbere Beziehungskrise und die Hochzeit von Lena und Rita gerät zum perfekten Desaster.

Mit viel Ironie schreibt Christopher Wurmdobler über Freundschaft, Liebe und Sex, Körperkult, Älterwerden, Vorurteile und das schöne Leben in der queeren Wiener Großstadt-Blase, manchmal berührend, oft unglaublich witzig und immer so, dass man nicht aufhören kann zu lesen.

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21 – Hermann Seiwald
über Taxis, Drag Queens und Gesellschaft.

Als Hermann Seiwald in der Nacht vom 1. auf 2. Oktober 2021 mitten in Wien – genauer auf der Mariahilferstraße – nach einer Hoteleröffnungsparty ein Taxi besteigen wollte, wurde ihm dieses vom Fahrer verwehrt. Und auch vom nächsten und vom übernächsten Fahrer und so weiter. Er war weder angetrunken, noch unhöflich oder gar grob, nein: Hermann Seiwald war lediglich in seiner „Nebenberufskleidung“ unterwegs nach Hause. Denn neben dem Hauptjob in der Gastronomie absolviert der charmante Wiener auch gesellschaftliche Auftritte als Drag Queen. Und das hat mehrere Wiener Taxichauffeure im Jahr 2021 offenbar so verwirrt, dass sie ihrer Beförderungspflicht nicht nachkommen konnten. Einfach skandalös!

Hermann Seiwald als FrauMann im Einsatz bei der Hotel Motto Eröffnung (Foto: privat)

Geärgert, getwittert, gehört.

Hermann Seiwald ist ein friedliebender Mensch. Einer, der aus einer Zeit stammt, in der man einander leben liess. Wie etwa in den sagenumwobenen 80er Jahren, die aus einer biederen Nachkriegsgesellschaft, die gerade erschöpft von den hochpolitischen Siebzigern in eine Welt voll Glitzer, Disco, Pop, Drogen und auch sich auflösende Geschlechterdefinitionen hineindonnerte.

Das kommt manchem bekannt vor? Sicher, denn der moderne Ruf etwa nach non-binary Personen ist auf andere Art in den 80ern des 20. Jahrhunderts eine richtige Revolution gewesen. RTL-Moderatorin Hella von Sinnen „heiratete“ die Bundespräsidententochter Cornelia Scheel, bis ins letzte Kuhdorf las man heftige Ralph König-Comics (oder verfilmte sie mit Til Schweiger) in New York wütete das HIV-Virus unter schwulen Männern und insbesondere den Drag Queens (Filmtipp: Paris is Burning), wodurch Glitter und Elend plötzlich ganz nah beinander wohnten, die gesamte Musik- und Modebranche nahm die Darstellung von Frauen und Männern komplett auseinander und weltweit nahmen die Gay-Prides Fahrt auf. Es sah für die Akzeptanz individueller Lebensweisen verdammt gut aus.

Bis dann mit dem Jahrtausendwechsel die neoliberal gesteuerte Entsolidarisierung der Gesellschaft in Schwung kam. Und plötzlich hieß es für beispielsweise Menschen mit LGBTIQ Zugehörigkeit, um Toleranz zu bitten, statt die erkämpfte Akzeptanz weiterhin aufrechterhalten zu können.

Und das hat unser Gast in dieser Episode von Aus Gründen am 1. Oktober am eigenen, bunt gekleideten Leib erfahren müssen – was ihn zu sehr verärgerten Twitter-Postings veranlaßt hat.

Die Wirtschaftskammer und die Taxifahrer:innen

Hermann Seiwald twittert täglich und viel. Kritisch, frech, witzig. In diesem Fall hat er auf den Seiten mit dem blauen Vögelchen mal Dampf abgelassen. Und zu recht. Die von ihm getaggte Wirtschaftskammer hat tatsächlich und auch sehr fair und sachlich reagiert. Das hat auch zu einem persönlichen Austausch geführt, der vor allem eines gezeigt hat: Man ist sich der Problematik mit merkwürdigen Fahrer:innen bewusst und geht auch daran, dies zu ändern. Denn Wien ist eine weltoffene Stadt und das darf nicht an der Tür zum Fond eines Taxis enden. Wie die Geschichte weitergeht, wird sich daher in den nächsten Monaten weisen …

Unser Dank geht wieder an das Wiener Label monkey.music – für Wiener Pop, Rock & Glam in wie immer hervorragender Qualität:

Die gespielten Titel der Episode:

Über die Band
Titel: Dopamine
Interpreten: Drahthaus ft. Aunty

Über die Band
Album: Ideas that seemed like good ones at 3am
Titel: M8 Come Over
Interpreten: Madishu & David Theni

Über die Band
Album: Rosachrom (Das Gesamtwerk)
Titel: Kopf hoch
Interpreten: Rosachrom

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Leben Liebe Menschen Reisen

18 – Tanja Paar über das Reisen und das Schreiben.

Wer sich mit Tanja Paar auf ein Gespräch trifft, hat eine Fülle an Erfahrung mit ihrer liebsten Beschäftigung zu bewältigen: Dem Schreiben. Als Journalistin und Autorin für Tages- und Wochenzeitungen, Magazinen, Verfasserin ihres Blogs und vor allem ihrer zwei außergewöhnlichen Bücher, reiht sie unaufhörlich höchst lesbare Texte in ihrem Leben aneinander. Ihren Namen hat sie sich als Kulturredakteurin in der längst eingestellten Neue Zeit (jene „rote“ Grazer Tageszeitung, die unter anderem auch Günther Nenning, Atha Athanasiadis oder Gerhard Roth als Sprungbrett in die Medienwelt diente), in der Wochenzeitung FALTER oder als Reiseressortleiterin im DERSTANDARD gemacht.

Der Ehrgeiz, auch richtige Bücher zu schreiben, hat 2018 den Roman „Die Unversehrten“ hervorgebracht und belohnt ihre Leserschaft heuer mit dem jüngsten Werk „Die zitternde Welt“, beide im Haymon Verlag erschienen und auch dort neben dem gut sortierten Buchhandel online erhältlich. Tanja Paar wurde in Graz geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie und arbeitete außer in Printmedien auch am Theater und Moderatorin. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Wien. Wem übrigens die zarten Zwitschergeräusche im Hintergrund auffallen mögen, der hat sie entdeckt, die zarten Küken, die an jenem Podcastabend ihren ersten Lebenstag in einer Kartonbox vollendet haben und nun bereits in ihrem Heimatstall eifrig picken und spielen.

Unser Dank geht wieder an das Wiener Label monkey.music – für Wiener Pop, Rock & Glam, passend zu Ferne und Nähe:

Die gespielten Titel der Episode:

Fast wie am Meer
Album: Fast wie am Meer
Interpret: Die Wödmasta

Mei Herz es tropft
Album: Aus da Haut
Interpret: Kristoff

Lucidity
Album: Caramel Reimagined
Interpret: Ulrich Drechsler

Mehr zum Thema:

Die Bücher von Tanja Paar:

Ein Buch über unsere Verletzlichkeit in Zeiten großer Umbrüche. Und über die Kräfte, die dabei in uns erwachen.

Kunstfertig verwebt Tanja Paar den unbändigen Lebensdrang einer Frau und das Schicksal einer Familie mit den Verwerfungen der Weltgeschichte. In ihrem Generationenroman führt sie an blühende und aufregende, aber von Umwälzungen bedrohte Orte: in das Osmanische Reichdes Fin de Siècle, ins Istanbul und die junge Türkei unter Atatürk, in den Irak des Ölbooms der 1930er. Ob damals oder heute – Tanja Paar stellt in ihrem aufwühlenden Roman eine Frage, die uns Menschen niemals loslässt: Wer bestimmt, welche Menschen wir werden? Sind es die Umstände? Oder wir selbst?
Text: Haymon Verlag

Ein Romandebüt mit gewaltigem Sog und großer Zündkraft

Tanja Paar besticht in ihrem ersten Roman sprachlich wie kompositorisch mit einer Präzision, die selten ist. Sie erzählt eine Geschichte von Unglück, Eifersucht und Rache, die sich in der kleinsten Zelle unserer Gesellschaft abspielt – der Familie. Wie weit kann man gehen, wenn das eigene Glück auf dem Spiel steht? Ein intensives Buch mit ungeheurer Zündkraft, das Fragen durchexerziert, die Frauen und Männer im modernen Leben existentiell berühren.

Die Website von Tanja Paar

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Liebe Medien Musik

Julia Raich über wie man Schlagerprinzessin wird.

Als 1984 in Gmünd, dort wo das Waldviertel fast schon zu Ende ist, die kleine Julia Raich das Licht der Welt erblickte, war ihre spätere Laufbahn als waschechte Schlagerprinzessin noch weit entfernt. Oder doch nicht? Denn die Absolventin des Performing Art Center in Wien, die auch Politikwissenschaft studiert hat und demnächst ihr Jusstudium beginnen wird, hat schon als Kind mit der Oma während des „Musikantenstadl“ im ORF-Abendprogramm aus dem Wohnzimmer einen „Tanzstadl“ gemacht. So etwas prägt. Und weil die Musicalausbildung zwar solide war, aber nicht erschöpfend Erfolg versprechend, hat Julia Raich das Schlagergenre für sich entdeckt. Ob auf Kreuzfahrtschiffen, am Ballermann oder in deutschen Fernsehshows, ihre gewinnende Bühnenpräsenz ist mittlerweile fixer Bestandteil dieser Musikgattung.

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Allgemein Leben Liebe

Der royale Jahresrückblick 2019

Wenn drei royale Grazien in einem einzigen Podcast aufeinander treffen, um das hinter uns liegende Jahr 2019 Revue passieren zu lassen, dann kann dabei eigentlich nur etwas sehr tiefsinniges, zugleich oberflächlich lustiges und auch persönliches herauskommen: Publizistin und Feministin Janina Lebiszczak, Pharmatrainerin Sabrina Limbeck und Digital Expertin Tanja Mantz geben sich die Ehre, um mit dem Gastgeber Stephanos Berger über – no na – Ibiza, Sex und den Brexit zu plaudern. Allerdings in loser Reihenfolge und mit erstaunlichen Abschweifungen. 80 Minuten lebendiges Gespräch mit drei selbstbewussten Frauen, drei Katzen und zwei bis drei Flaschen Prosecco.